Freitag, 13. März 2009

Teestunde


Eigentlich wollte ich einen Bericht ueber Pashupatinath, Nepals heiligsten hinduistischen Pilgerort, verfassen. Jener Ort, den ich im Vorjahr schon besucht hatte und den ich unbedingt ein zweites Mal sehen wollte, weil er in mir das Gefuehl hinterliess: Ein einzelner Eindruck reicht hier nicht aus. An den Ufern des Bagmati, der zu dieser Jahreszeit eine zaehe Kloake aus Muell und verschmutzten Abwaessern ist, werden Verbrennungszeremonien durchgefuehrt, ein paar Meter flussabwärts wird Wäsche gewaschen und der Rauch schwaengert die Luft ueber der gigantischen Anlage aus Tempeln, Pagoden und Treppen.


Diebische Rhesusaffen turnen ueber zerfallene Mauerreste, aus einer einsamen Ecke, in die ich mich zurueckziehen will, taucht aus dem Dunkel ein aschebemalter Sadhu auf und laesst mich zurueckschrecken und oben auf dem Huegel verkaufen Haendler Zuckerwatte und Getraenke. Auf einer Steinstufe neben einer Hoehle sitzt ein junger Mann und weint - und in einem der zahlreichen Shivalayas (kleine Tempel, in denen shiva-lingams aufgestellt sind) streiten sich zwei Strassenkinder. Sie wohnen hier. Ein Liebespaar geht umschlungen an mir vorueber und ich fuehle mich versteinert. Alles ist fliessend - es gibt keine Trennung zwischen Leben und Tod an diesem Ort.

Worueber ich aber eigentlich berichten moechte, ist der anschliessende Spaziergang. Ein paar Minuten auf dem Weg zu einer Stupa, die in den Slums von Kathmandu endeten - keine lustige Geschichte fuer heute. Ich hatte beschlossen, mich quer durchzuschlagen und auf das Taxi zu verzichten, also hantelte ich mich von einer Wegbeschreibung zur naechsten in Richtung Boudha. Als mich eine junge Frau mit einem kleinen Jungen an der Hand ansprach, tat ich erstmal das, was die meisten Menschen hier in solchen Situationen zu tun pflegen: Ich ging weiter. Sie lief mir nach, bat um Milchpulver und deutete auf einen kleinen Laden an der Ecke - wo ich eine Packung bezahlte und ihr in die Hand drueckte.

"You come to my home and drink tee. Please. You give me milk, I give you tee, come please! I name Kamala"

Alle freundlichen Ausfluechte meinerseits waren vergebens, also liess ich mich in die naechste Seitengasse schubsen und folgte (ich hoere den Aufschrei zuhause). Kamalas Home war ein zeltaehnlicher Verschlag innerhalb einer Kolonie an Bretterbuden, alten Lumpen und Wellblech. Ihre drei Kinder sassen staunend um mich herum und strahlten um die Wette, waehrend meine neue Bekanntschaft am Boden Tee zubereitete. Ich will nicht so genau wissen, woher das Wasser kam, aber es kochte ueber einer Flamme aus Plastikfetzen und ich hoffte, das wuerde ausreichen, um das meiste Leben darin auszuloeschen. Kamalas Bruder Ram kam hinzu, der
mir mit ein paar Brocken Englisch die letzten Jahre aufrollte: Der Ehemann krank in Indien, woher die ganze Familie stammt, sie wollen wieder zurueck und haben kein Geld fuer ein Ticket. Er selbst sei Schuhmacher und muss eine "Schuhbox" kaufen, ohne die er nicht arbeiten koenne. Ich fuehlte mich unbehaglich. Als ich mich auf den Weg machte, drueckte ich Kamala 1.000 Rupies in die Hand und fuehle mich noch unbehaglicher. Fuer nepalesische Verhaeltnisse war das kein unerheblicher Betrag, aber er wuerde weder ausreichen, Tickets zu besorgen noch die komplette Arbeitsausruestung fuer einen Schuhmacher zu kaufen. Ram drueckte mir die Hand, aber ich konnte seine Enttaeuschung spueren, dass die reiche Fremde nicht mit einem Griff in ihre Brieftasche alle Probleme beseitigt hatte. Am Weg zur Hauptstrasse kam ich an vielen Familien vorbei. So viele Kinder. So viele Geschichten. Und ein Gefuehl in meinem Magen, dass ich so viel mehr haette tun muessen.



Donnerstag, 12. März 2009

On the road

Taxifahrer haben in weiten Teilen des Landes gut sichtbar den Aufkleber "NO FEAR!" im Inneren des Wagens angebracht, was mehrere Schluesse zulaesst:

a. Es ist ein Apell an die Fahrgaeste: "Heast, scheiss di net aun!"
b. Es ist ein Mantra und gilt dem Lenker: "Ich fuerchte mich nicht, ich fuerchte mich nicht, ich fuerchte..."
c. Es war billig und huebsch bunt und der Fahrer hat keine Idee, was es bedeutet.

Im uebrigen glauben wir herausgefunden zu haben, was die Licht- und Hupsignale im hiesigen Strassenverkehr bedeuten.
1. Einmal Hupen: "Paaaasst. Hab dich gesehen." (Alle drei Sekunden im Stossverkehr, also nicht zu verwechseln mit Punkt 3, Hupkonzert.)
2. Zweimal Hupen: Wenn du noch einen Millimeter nach links faehrst, geht es sich aus. (Sehr beliebt bei Ueberholmanoevern auf engen, kurvigen Bergstrassen.)
3. Hupkonzert waehrend man gleichzeitig mit Vollgas aufeinander zufaehrt: "Oida, weich aus!" (Tut auch meistens irgendeiner.)
4. Lichthupe (verwenden nur LKWs): "Ich bleib genau auf meiner Spur, also such dir gefaelligst irgendeinen Pannenstreifen (oder meinem Kuehlergrill).

Waehrend wir letzte Woche im Bus von Pokhara nach Kathmandu sassen, waren auf der selben Strecke ungefaehr 10.000 Busse und Transporter, 2.000 Motorraeder und 500 PKWs unterwegs. Die einzigen Fahrraeder gehoerten zu einer franzoesischen Touristengruppe, die mit bunten Trikots und teuren Mountainbikes auf der eineinhalbspurigen Durchzugsstrasse um ihr Leben kaempften. Vergleichbar bloed waere es in etwa, mitten auf der Suedautobahn im Morgenverkehr seine Yogamatte auszurollen und das Sonnengebet zu turnen. Neben uns auf der Rueckbank sass ein schweigsamer Finne, den wir schon im Basecamp getroffen hatten. Eine Stunde nach Pokhara begann der Nordlaender, im Takt der Schlagloecher mit dem Kopf gegen die Scheibe zu knallen.

"Aua. Der schlaeft aber tief."
"Vielleicht ist er vor Angst gestorben."
"Soll ich mal seinen Puls fuehlen?"

Ro versuchte vorsichtigst sein Handgelenk zu begrabschen, scheiterte aber an der naechsten Bodenwelle und stiess ihm ruppig den Finger in die Sehne. Der Finne zog seine Hand weg, was wir als Indiz dafuer werteten, dass er noch am Leben war. Als er seine Augen aufschlug, sahen wir angestrengt aus dem Seitenfester (was auch die bessere Strategie ist als geradeaus zu blicken, siehe Punkt 3).

Seit heute Nachmittag sind wir wieder in Kathmandu. Per Flieger, weil alle Strasse gesperrt waren. Und muessen auch fast nicht mehr mit dem Auto fahren.

Mittwoch, 11. März 2009

Birdwatching


Voegel haben fuer mich in etwa den selben Stellenwert wie Fische. Was groesser ist als ein Kuehlschrank versuche ich mit Namen anzusprechen, kleineres Getier darf anmutig um mich herumschweben und huebsch aussehen. Und worauf ich eingestellt war an diesem Vormittag, waren fette Viecher. Elefanten. Krokodile. Nashoerner. Wenn man allerdings in einem ausgehoelten Baumstamm durch die Suempfe Chitwans gepaddelt wird (was an sich schon ein eigenartiges Unterfangen ist), der Amerikaner am Hintersitz begeisterter Ornithologe und der Guide Bird-Watching-Experte ist, kann man sich Krokos und Rhinos getrost abschminken. Was wir in hoechst amuesanten 2 Stunden erlebten, war unsere persoenliche Ornithologen-Watching-Tour. Ganz ohne Aufpreis. Die Unterhaltung spielte sich frei uebersetzt in etwa folgendermassen ab:

"Schnell, auf 10 Uhr, der blaugruengestreifte Haubenpimpering"
"Und dort der gruengelbtupfte Strickmuetzenwinzling"
"Unglaublich, diese Farbenpracht, der dritte Ast von rechts, die schwanzlose Glatzkopfkraehe"

Waehring ich mich verzweifelt bemuehte, auch nur einen dieser ungefaehr golfballgrossen Voegelchen zu erhaschen, bemuehte sich Ro aus dem Off qualifizierte Kommentare abzugeben.

"Achtung, schwarzer Vogel von links"
"Da ist ein Krokodil. Das Graue in dem Gruenen"



Der Amerikaner, nennen wir ihn Jim, war ein Bildebuchexempar. Er war in etwa 70, trug einen beigen Safarihut, ein fettes Fernglas und blaue Funktionsklamotten und grinste mit jeder gesichteten Feder ein bisschen breiter als zuvor. Nachdem wir den Baumstamm verlassen hatten, trug er alle Namen der gesehenen Piepmaetze in ein Buechlein ein und begann am darauffolgenden Fussmarsch Vogestimmen nachzuahmen. Seine Begleiterin, von Kopf bis Fuß in beige Tarnkleidung gehüllt, warf ihm bewundernde Blicke zu. Ich selbst konnte das Gegurre nicht vom Gezirpe unterscheiden und alles sah in etwa wie ein Spatz aus - waehrend also der Guide und Jim begeistert von Ast zu Ast deuteten, beschraenkte ich mich bald darauf, die beiden voellig ungeniert zu fotografieren. Sie watchten die Birds und wir watchten die Birdwatcher. Ich war ausserordentlich zufrieden.

Ach ja, wir sahen uebrigens tatsaechlich Krokodile. Aber hey... nichts gegen den rot-weiss-gestreiften Stinknesseltaucher. Der ist naemlich selten. Echt selten.

Dienstag, 10. März 2009

Von Rapids und Rikschas


Der Sun Kosi und ich waren keine Freunde. Er lag nicht im Westen, wo ich eigentlich sein sollte, er war nicht abgeschieden und menschenleer - er war nur zufaellig in der Naehe, lag in einer Ecke Nepals, in der gerade nicht gestreikt wurde und schien einfach und lange genug, damit er so halbwegs in unser Konzept passte. Waehrend ich an Tag 1 also grummelnd vor mich hinpaddelte verkroch sich meine "wird schon alles einen Grund haben, warum ich hier und nicht dort bin"-Mentalitaet angesichts von Strommasten, hupend befahrenen Bergstrassen am Rande des Ufers und dutzenden Doerfern irgendwo in den letzten Winkel meiner selbst, wo sie beim besten Willen nicht mehr auffindbar war. Immerhin: Ich hatte ein solides Kajak ergattert und kam passabel mit dem Gewaesser zurecht. Vorerst.

Nachdem ich an Tag 1,5 zum dritten Mal heimtueckisch aus dem Kajak katapultiert wurde, wechselte ich notgedrungen ueberfordert aufs Raft. Was dann folgte, war ein flacher Nachmittag ohne einer einzigen nennenswerten Stromschnelle. Der verdammte Fluss hielt mich zum Narren - blieb also nur wieder ins Kajak zu steigen und mich dem Krieg zu stellen.


Und irgendwie kam ich die naechsten Tage durch, kenterte, fuhr zwei Stellen im 4. Grad, die mir zuvor unueberwindbar schienen, schnitt erfolgreich durch haushohe Wellen, umtrug boshafte Stellen, paddelte elend lange, ruhige Strecken gegen den Wind, verschaetzte mich mit Stroemungen, eskimotierte erfolgreich und scheiterte. Mit jedem Zufluss, jedem Kilometer, wurde der Strom breiter, veraenderte sein Gesicht, seine Landschaft, sein Wesen. Jeder Sonnenuntergang machte mich ruhiger, jeder Morgen entschlossener. Und der Sun Kosi und ich versoehnten uns. Wieso hatte ich solange dafuer gebraucht?

Der Plan am Ende der Tour sah vor, von der Ausstiegsstelle mit dem Jeep zum Airport zu fahren und von dort den Rueckflug nach Kathmandu anzutreten. Nachdem sich die Streiks auf das gesamte Terai ausgeweitet hatten und keine Autos mehr durchkamen wanderten wir also am Ende der Tour mit unserem Geroedel ins naechste Dorf, nahmen fuer eine kleine Strecke den lokalen Bus, den wir mit vielen, vielen Menschen und manchen Tieren teilten, um dann in eine Rikscha zu wechseln. Die Rikschafahrt sollte in Summe vier Stunden und ca. 45 Kilomenter dauern. Hatte ich mir jemals zuvor gewuenscht haben, zumindest einmal in Nepal in so einem Gefaehrt gesessen zu haben: Ich muss voellig verblendet gewesen sein. Nicht nur, dass uns in der Mittagshitze die Sonne aufs Dach knallte und das Dach bei jedem Schlagloch auf unseren Kopf knallte (wir waren einfach nicht winzig genug), fanden unsere europaeischen Hinterteile samt Tonnen von Gepaeck nur mit viel Fantasie und Verrenkung Platz auf dem Miniatur-Anhaenger. Es war unbequem. Wirklich unbequem. Aber das wirklich unbequeme daran war die Tatsache, dass 7 Tage Flusswasser ein paar Spuren in meinen Gedaermen hinterlassen hatten und das Gerumpel und mehrmaliges Umsteigen wegen Gebietsstreitigkeiten unter den Fahrern das Rumoren in meinem Bauch nicht wesentlich verbesserte. Umso erfreulicher dennoch, dass wir es mit unermüdlichem Touristengrinsen schafften, durch jede Blockade zu kommen und den Flughafen puenktlichst erreichten. Halleluja.

Im uebrigen sind wir nun doch in Chitwan. Heute morgen wurde die Strassensperren aufgehoben und wir sind kurzentschossen doch in den Nationalpark gefahren. Nepalesische Fahrer halten im uebrigen nicht nur miteinander Haendchen, sie fragen auch nach dem Weg - und zwar Kleinkinder, Greise und Blumentoepfe. Und Holi ist hier auch erst morgen.

Montag, 9. März 2009

Kleines Lebenszeichen

Nur kurz fuer heute: Wir sind nach einer Woche Kajakfahren am Sun Kosi nach einigen Umwegen wieder in Kathmandu gelandet und feiern morgen erstmal Holi, das hinduistische Fest der Farben, hier in der Stadt. Auch unser Alternativnationalpark Chitwan ist derzeit aufgrund der Streiklage im Terai nicht erreichbar, wir goennen uns daher erstmal einen Pausetag und sehen dann weiter. Wenn meine Umgebung nicht in roter Farbe ertrinkt und die Internetcafes geoeffnet haben: Vielleicht morgen ein paar Geschichten von Rapids und Rikschas.

Montag, 2. März 2009

Doch nicht der Westen...

Wie unschwer an diesem Eintrag zu erkennen befinde ich mich weder im Nachtbus noch im Kajak, sondern in einem ueberfuellten Internetcafe in Kathmandu. Wegen eines Streiks ist die Route in den Westen fuer mindestens drei Tage gesperrt, was soviel bedeutet wie: Es kommt mal wieder alles anders. Wenn ich mir nicht im Detail ueberlege, wie gerne ich diesen Fluss nach Bardia befahren wollte, freue ich mich vermutlich ueber Nacht auch auf die naechten 7 Tage am Sun Kosi, auf den wir jetzt kurzfristig umgeplant haben. Ihr hoert danach von mir - gute Nacht meine Lieben.

Sonntag, 1. März 2009

My home is my castle

Etwas ungewohnt fuer den klassisch oesterreichischen Mauerfetischisten ist die Tatsache, dass man am Trek im Grunde staendig durch die Vorgaerten, Terrassen und Hinterhoefe anderer Leute latscht. Jede Stiege, jeder Auf- und Abstieg, jeder Weg fuehrt zwangslaeufig irgendwann direkt an der Eingangstuer eines (und des naechsten und des naechsten und des naechsten) Hauses vorbei - was bedeutet, dass man gemuetlich auf einem Maeuerchen sein Herzrasen auskuriert, waehrend einen Meter entfernt der Sohn mit dem Hund spielt, die Tochter ihre Haare schneidet und die Mutter die Waesche schrubbt. Man fuehlt sich wie ein Eindringling, ist vermutlich ein Eindringling (sofern man nicht die Gelegenheit nutzt und zumindest eine Tasse Tee konsumiert), hat aber keine Chance kein Eindringling zu sein, weil es eben nur diesen einen Weg gibt. Es ist ein bisschen so, als wuerde der Jakobsweg direkt durch Kridorf-City fuehren - und zwar innerhalb aller Gartenzaeune (und nur dort), auf jeden Fall aber direkt an unserem offenen Kuechenfenster und neben dem Kraeuterbeet vorbei. Saemtliche Voruebergehenden wuerden ein verschwitztes "S'God" in meinen Kochtopf werfen und ich wuerde voellig gelassen und unermuedlich jeden einzelnen freundlich ebenso zurueckgruessen (sagte ich schon, dass ich die Menschen hier grossartig finde?).

Meine Lieben, ich verabschiede mich fuer die naechsten Tage - wir sind ab morgen mindestens 6 Tage am Stueck Kajakfahren. Mit ein bisschen Glueck gibt es in Bardia dann wieder Internet. Namaste!


Riesenbienen

Spaetestens seit "Die letzten ihrer Art" haben Zoologen einen Sympathiebonus bei mir. Zugegebenermassen habe ich bislang erst ein Exemplar persoenlich getroffen - und ohne Douglas Adams und Mark Carwardine waere der einzige mir bekannte Vertreter dieser Gattung vermutlich auch glatt durchgefallen. In relativer Zeit gesprochen knapp nach Stunde Null unserer Trekkingtour landeten wir also in der "Bee Hive Lodge", in einem Doerfchen namens Purgiyu - an das ich mich nicht mehr entsinne, was entweder an meinem schlechten Gedaechtnis liegt (sehr wahrscheinlich) oder an der Tatsache, dass der Ort nur aus dieser einen Unterkunft besteht (wahrscheinlicher). Mitten in dem Nichts, in dem wir gemuetlich unseren Milchtee tranken, stiessen also drei steirische Bienenforscher zu uns, was unschwer an der Tatsache zu erkennen war, dass sie a) den selben Dialekt sprachen, zu dem ich mich in heimatlichen Gefielden oder betrunkenen Augenblicken immer noch bekenne und b) lautstark mit riesigen Teleobjektiven bewaffnet die Umgebung nach den beruehmten nepalesischen Riesenbienen absuchten, die ich im uebrigen Mal kein einziges Mal in den 10 Tagen Trekking zu Gesicht bekommen habe. Wer bislang noch nichts von den Viechern gehoert hat, dem sei hiermit eindruecklichst gesagt, dass es sich dabei um eine echte Bildungsluecke handelt, weil der Oberzoologe der Truppe einen Film ueber die Tierchen gedreht hat, den international ueber 300 Millionen Menschen gesehen haben. Nach einem halbstuendigen Vortrag ueber die herausragenden Eigenschaften der Honighummeln wage ich die schuechterne Frage:

"Und sind die Menschen gegenueber aggressiv?"

Der Anfuehrer (die anderen sind offensichtlich seine Studenten und sprechen nicht - vermutlich murmeln sie Mantras, weil sie das Geplapper nicht mehr ertragen) versucht verzweifelt seine Mimik unter Kontrolle zu bringen und milde vaeterlich dreinzublicken, ist aber an dem veraechtlichen Zucken um die Mundwinkel leicht zu durchschauen. Er verzichtet auf lange Ausschweifungen:

"Ich habe auch einen Film ueber die Legende der Killerbiene gedreht, der schon mehrfach im oesterreichischen Fernsehen gezeigt wurde." Was ubersetzt soviel bedeutet wie "Genauso aggressiv wie Schafe, Rasenmaeher und Tomatenstraeucher, du Stadtpomeranze".

Wir zogen weiter. Ich fand ihn ganz nett, ehrlich.

Samstag, 28. Februar 2009

ABC



Irgendwo in mir schlummert offensichtlich ein Husky-Gen: Sofern ich in den letzten 10 Tagen nicht gerade am Laufen war, habe ich Essen in mich hineingeschaufelt oder bin beinahe an Ort und Stelle schlafend umgefallen. Immerhin hat mich diese Strategie bis ins Machhapuchhre und letztendlich Annapurna Base Camp (kurz ABC) gefuehrt, was soviel bedeutet wie: Ich war dort. Inmitten dieser atemberaubenden Kulisse, die ich erst noch blind verflucht habe, beim Aufstieg morgens um 5.00, mit Stirnlampen durch Schnee, bei minus 10 Grad und Wind und in heftiger Erschoepfung, und deren Sonnenaufgang zwischen 7- und 8-Tausendern mich ehrfuerchtig erstaunen liess. Wir waren winzig und die Welt war gross - auf so wenig laesst es sich reduzieren.

Im uebrigen stelle ich fest, dass es offensichtlich nur zwei Wege gibt, um einen bestimmten Ort hier in den Bergen zu erreichen: Entweder man sieht ihn schon von weitem. Oder er taucht unvermittelt hinter dem gerade erklommenem Huegel oder der naechsten Kurve auf. Ersteres ist fuer ungeduldige Gemueter wie ich eines bin NICHT gut. Gar nicht gut. Das Ziel vor Augen zu haben, hinter den 7 Bergen ueber 7 Fluessen und ebensovielen Haengebruecken, laesst meinen Geist in entmutigtes Fluchen ausbrechen (was Santosh nicht darin gehindert hat trotz mehrfacher flehentlicher Unterlassungsbitten auch am letzten Tag noch immer freudig auf die Lodge in gefuehlten hundert Kilometer Entfernung zu deuten, mit dem HInweis "Look! This ist amarschderweltundwirwerdendortnieankommenaufnepali").

Was mich auch schon zur naechsten Erkenntnis fuehrt: Es gibt absolute Zeitangaben. Und relative. Waehrend absolute Versprechungen ("it's only 5 minutes) in Nepal oesterreichisches Toleranzniveau erreichen, bedeuten relative Angaben ("it's right behind that hill" oder "oh, it's not far") im Grunde nur: "Ich finde dich auch ganz niedlich und deshalb verrate ich dir nicht, dass das gesuchte Dorf zwar hinter diesem Huegel, aber auch hinter dem naechsten und uebernaechsten Bergruecken liegt - und gemessen an den 3 Tagesreisen bis zur naechsten Strasse ist es auch echt nicht weit. Ehrlich." Gestern sind wir 9 Stunden gewandert, weil wir unbedingt noch am selben Tag Pokhara erreichen wollten. Vor Sonnenaufgang stand ich noch auf Poon Hill (ein letzter Aufstieg auf 3.200 m vor dem Fruehstueck mit grandiosem Ausblick auf die Dhaulagiri-Range), um anschliessend gut 2.200 Hoehenmeter ins Tal abzusteigen. Wobei "anschliessend" bedeutet, dass wir stundenlang in bruetender Hitze (jaja, deshalb der bescheuerte Sonnenhut....) tausende von Stufen nach unten geklettert sind, waehrend die Reste meines Humors matschig zerkochte Diaolge zwischen meinen Knien und meinen Fusssohlen fuehrten. Ungefaehr bei Stunde 7,5 stand ich mitten in einem vielarmigen Flusslauf mit maessig Wasser, umringt von einem Meer aus Steinen, ueber die ich springend und watend voranzukommen versuchte, als Santosh (der Lehrer) wissend anmerkte: "you know, this is not the main-trail". Was meine Laune derart hob ("Echt? Waer mir jetzt nicht aufgefallen"), dass ich minutenlang in einem verzweifelt-verzuecktem Lachkrampf weitere Zeit verschleuderte, weil ich sonst in einem Rinnsal bloede gackernd ertrunken waere.

Und nun: Tee trinken. Am See sitzen. Die Seele, mich selbst, meine mueden Knochen baumeln lassen.

Dienstag, 17. Februar 2009

Schilderwald & Pokhara

Zu den ersten Dingen, die einem in Nepals Staedten und Doerfern ins Auge fallen, gehoeren die zigtausend Tafeln und Schilder, die illustrativ an und vor jedem Haus herumlungern. Vermutlich sitzt irgendwo ein einzelner schwerreicher Kerl, der sich eine goldene Nase damit verdient, jedem Kuchenbaecker, Gemueseverkaeufer und Schuhputzer die selben Reklametafeln anzudrehen, die sich nur minimal in Farbgestaltung und Typographie unterscheiden. Irritierender ist allerdings der Umstand, dass auch die Texte sich nur geringfuegig veraendern, gleichgueltig ob der dahinterliegende Laden Klopapier oder Rucksaecke verkauft. Beliebt ist vor allem die Aufschrift "Internet", die es offensichtlich als Gratisbeigabe auf jedem Schild gibt, mit dem Ergebnis, dass Anfragen folgendermassen ablaufen:

"Oh, Internet! No, we don't have"(Aber ich hab schon mal davon gehoert.)
"Oh, Internet! Yes, it's coming. Next year" (Aber die Tafel war grad im Angebot.)
"Oh, Internet! No it doesn't work (Ich habe naemlich keinen Computer, aber die Tafel war grad....)

Nach einer siebenstuendigen Busreise sind wir letztendlich in Pokhara gelandet, wo wir erstmal Charley besucht haben, einen Franzosen, der seit vielen Jahren hier einen grossartigen Kajakladen betreibt und der uns schon beim letzten Mal mit Ausruestung und Tipps behilflich war. Wie wir feststellen mussten, waren die Kajaks, die wir gestern in Kathmandu ergattert haben eine Leihgabe von Charley an die Company, mit der wir in 14 Tagen am Fluss unterwegs sein werden - was soviel bedeutet wie: Die Boote sind per Bus von hier aus nach Kathmandu gefahren, landen morgen wieder hier in Pokhara (weil wir den Trip verschoben haben), um dann nach unserer Trekkingtour wieder nach Kathmandu zu fahren, um von dort zur Einstiegsstelle des Flusses.... Aeh ja :) Morgen starten wir in den fruehen Morgenstunden unsere Tour zum Annapurna Base Camp (von Nayapul aus) und werden voraussichtlich in ca. 10 Tagen wieder retour sein, je nachdem ob wir noch einen Loop zu Poon Hill machen oder nicht. Danach gibt es moeglicherweise auch Geschichten von Santosh, unserem liebenswerten Porterguide, den wir heute erstmals getroffen haben und der kindermaedchenartige Zuege an den Tag legt (was vielleicht daran liegt, dass er eigentlich Lehrer ist).

Montag, 16. Februar 2009

Alles anders

Nachdem sich meine hartnaeckige Blasenentzuendung trotz Antibiotika, gutem Zureden und Tonnen von Fluessigkeit immer noch nicht dazu bequemen will endgueltig das Weite zu suchen (und von Weite gaebs hier ja wirklich mehr als genug...) wurden erstmal alle Plaene ueber den Haufen geworfen. Der Gedanke eine Woche lang mit nassem Klamotten in einem Boot zu verbringen ist grad maessig anregend, also duesen wir morgen erstmal mit dem Bus nach Pokhara und starten voraussichtlich am Mittwoch den ABC-Trek. Energie wird im ganzen Land immer knapper, weil die Fluesse kaum Wasser fuehren und Nepal hauptsaechlich von Wasserkraftwerken versorgt wird - die Einschaltzeiten fuer Strom werden staatlich reguliert und betragen selten mehr als 3-4 Stunden am Stueck mit Pausen von bis zu acht Stunden dazwischen. Ich sitze im ersten Stock eines Internetcafes, in der Bar nebenan spielt eine Rockband live und im Nebenraum stinkt das Dieselaggregat vor sich hin (was soviel bedeutet wie: Dieser Raum hier war die richtige Wahl fuer mein halbes Stuenchen online, weil es grad wieder verdammt dunkel rundherum ist).

Ich stand heute auf dem vielleicht romantischten Fleckchen Erde in Kathmandu, dem "Garden of Dreams" - einem verwunschen Paradies aus Lauben, alten Gemaeuern und einer Vielzahl von Pflanzen, Stufen und versteckten Winkel, das durch Mittel der oesterreichischen Entwicklungszusammenarbeit wieder renoviert wurde. Draussen tobte die Rush-Hour und ich sah an diese alte Mauer gelehnt 20 nepalesischen Erdhoernchen (oder was ich dafuer halte) beim Abfangen-Spielen im Komposthaufen des Hintergartens zu. Und nun geht es weiter in das Lokal zwei Haeuser weiter, in der die Band soeben "those were the best days of my life" groehlt. Die sollte man nuetzen.

Sonntag, 15. Februar 2009

Angekommen

Fuer heute nur eine kurze Nachricht - wir sind gut in Kathmandu gelandet, haben die erste Portion Dhal Baat hinter uns und schlafen auf einem gepolsterten Holzbrett (mit Gartenblick, immerhin). Die Strassen sind beinahe unheimlich leer, man sieht kaum Touristen und selbst die Hunde haben sich verkrochen. Verdaechtig. Morgen mehr, meine Lieben, gute Nacht!

Freitag, 13. Februar 2009

Es geht wieder los

Unsere Wohnung sieht aus wie beim Schlussverkauf von Globetrotter - die Zimmer sind thematisch nach Ausrüstung sortiert, und während sich im Schlafzimmer Jacken, Socken und neumodischer Funktionswäschekram ein fröhlich unsortiertes Stelldichein geben, stapelt sich im Vorraum Wildwasserausrüstung, im Wohnzimmer die Jahresration eines durchschnittlichen nepalesischen Krankenhauses an Medikamenten und Verbandsmaterial und im Badezimmer in Minigrößen umgefüllte Fläschchen und Tuben. Unsere Versuche, ein klitzekleines bisschen vor dem allerletzten Drücker die Horden von Equipment in zwei verdächtig kleine Rucksäcke zu stopfen sind allesamt kläglich gescheitert. Die Katzen riechen den Braten, und während die eine demonstrativ beleidigt auf der Nepal-Ausgabe von Lonely Planet sitzt, versucht die andere die Schubänder der frisch gewachsten Schuhe noch schnell in Kleinstbestandteile zu zerlegen.

Vorausgesetzt es gelingt uns in der nächtlichen Packaktion als Sieger im Ausrüstungsduell hervorzugehen, sieht der Plan folgendes vor: 1-2 Tage in Kathmandu, Kajaks jagen und anschließend eine 24-Stunden-Busfahrt (nein, mir ist nicht wohl dabei) in den Westen. Von dort aus paddeln wir die nächsten 5-6 Tage erst am Seti, dann am Karnali bis Chisapani - dort liegt der Nationalpark Bardia (ich hege die Hoffnung vorher nicht von einem Tiger oder Krokodil verspeist worden zu sein). Nach ein paar Tagen in Bardia geht es weiter in die Annapurna-Region, erstmal nach Pokhara - von dort starten wir unsere Trekkingtour zum Annapurna Basecamp.

Ich werde versuchen, nach unserer Ankunft in Kathmandu ein Internetcafe zu erobern (und mich ein weiteres Mal auf das Spiel "fällt der Strom bevor oder nachdem ich auf send drücke aus?" einstellen).