Mittwoch, 27. Februar 2008

Trekking

Vermutlich ein letztes Mal melde ich mich aus Nepal, ein bisschen traurig und auch vorfreudig auf die verbleibenden Tage. Nach unserer Trekkingtour im Annapurnagebiet, die dann doch keine bescheuerte Idee war, sind wir wieder in Pokhara gelandet. Unser weiblicher Porterguide namens Tika war ein Rucksack auf zwei Beinen, bildschön, schüchtern und besonders gewieft in ihren Empfehlungen für Lodges (ein Ofen unter dem Tisch macht sich in knapp 3.000 eisigen Metern wahnsinnig gut - danke Tika). Nachdem ich schon ganz ergriffen bin, dass mein Knöchelbruch mein eigenes Gewicht den Berg hochbekam, trug sie demnach knappe 12 kg meines Gepäcks - und in Anbetracht ihrer Kindergröße war ich ehrlich in Sorge, dass wir ihr damit zuviel zumuten. "This bag not heavy" belächelte sie mich - und vermutlich hätte sie die selbe Strecke auch in der doppelten Zeit laufen können und legte nur freundlicherweise für unsereins ab und an mal einen Stopp ein.

Mit den Bergen hier ist das so eine Sache. Es stehen einfach viele, sehr viele, davon hier rum. Und man muss bei der Etappenplanung den europäischen Gedanken "ich geh mal eben einen Berg hoch" irgendwo im Bodenfach seines Rucksacks vergraben. Das Tagesziel liegt nämlich in den seltensten Fällen einfach "oben" oder "unten", sondern eher "irgendwo da hinten" - was in der Praxis soviel bedeuted wie 1.000 Höhenmeter raufgehen, den selben Berg wieder hinunter (mal eben über drei wackelige Hängebrücken), den anderen Berg wieder hoch, wo dann mit ein bisschen Glück das kleines Dorf ist, auf das man gesetzt hat. Mental kann das ganz schön zermürben, weil man in Summe in ein paar Tagen den Mount Everest besteigt, ohne auch nur annähernd dessen Höhe zu erreichen. Jedenfalls habe ich Affen gesehen und in heißen Quellen gebadet, ich ging im Märchenwald, in dem alle Fabelwesen Nepals zuhause sind, und in dem langsam und stetig das Moos die Herrschaft über die Rhododendronbäume erringt (was sich in unseren Breitengraden übrigens Rhododendron schimpft ist ein Gänseblümchen dagegen). Ich weiß jetzt wieder, warum ich Gruppenreisen doof finde (kann mir mal einer sagen, wieso man Porter dafür bezahlt, dass sie einen 10-Liter-Kanister heißes Wasser herumtragen, obwohl es überall guten Tee gibt, warum man einen Tisch den Berg rauschleppen muss und warum man in einem winzigen Guesthouse acht verschiedene Speisen bestellen muss, wenn es fertiges, wunderbares,  Dhal Baat in der Küche gibt?), dass ich viel mehr schaffen kann, als ich mir zugetraut habe und dass raubkopierte indische Rucksäcke auch nicht weniger aushalten als teure österreichische. Oben, am höchsten Ort, an dem wir waren, ist in der Nacht ein Mann gestorben und seine beiden Begleiterinnen warteten den ganzen Tag auf den Helikopter. Wie schrecklich - am selben Tag waren wir ganz entrückt, weil der Nebel sich sehr spät verzog und man Annapurna South und Machapuchare postkartenschön im Sonnenaufgang sah.

Bald geht es heimwärts und ich danke euch für die großartigen E-Mails, euren warmherzigen Draht zu mir aus allen möglichen Ecken der Welt - und freue mich darauf, die virtuellen Umarmungen in echte zu verwandeln.

Donnerstag, 21. Februar 2008

Wasser und Berge


Der Fluss hat uns im wahrsten Sinne des Wortes wieder ausgespuckt. Er war zahm und ein bisschen wild und manchmal ein klein wenig bösartig, als wollte man den Eindringlingen kurz zeigen, dass man nicht so einfach den Holy River befahren kann, ohne mit Gegenwehr rechnen zu muessen. Ro hat gleich am ersten Abend versucht, sich zwei Finger mit zerbrochenem Bambus abzuschneiden - wir haben die Sache mit Wundnahtstreifen, Tape (natürlich) und einer leeren Kakaodose in den Griff bekommen. Danach konnte er auch wieder sein Paddel halten.

Ein bisschen merkwürdig ist es schon, wo mitten im Nirgendwo plötzlich die Menschen herkommen, die selbst am entlegendsten Zeltplatz ein paar Flaschen Starkbier aus dem Korb zaubern. Und da war dieser Vollmond am Fluss und das Feuer, da waren die Geschichten über das Land und die politische Lage, über die friedliche Koexistenz der Religionen und die blutige der Parteien. Da war viel zu hören über Resignation und einiges über Hoffnungen. Viel zu kurz war das alles und manchmal auch lang, weil sich die Sonne versteckt hat und wir den ersten Regen hier hatten, mit einem undichten Zelt und kalten Klamotten. Aber weil das Wasser hier auch nicht frostiger ist als zuhause, war ich ein kluges Mädchen und bin nicht mit nackten Füßen und Shorts gefahren. Andere schon. Die hatten dann auch die blaueren Lippen.

Der Rückweg mit dem Bus dauert im Schnitt sechs Stunden. Wir waren in vier Stunden retour und das lag nicht daran, dass sich der Straßenbelag von Zauberhand verbessert hätte oder gar die Berge plötzlich untertunnelt worden wären. Alle meine Sünden kleben jetzt an der Busscheibe oder wurden in die ohrenbetäubenden Bollywood-Videoclips über dem Fahrerhaus hineingesogen. Nicht, dass ich das Prinzip von "erst aufs Gas, dann in die Kurve, dann hupen" nicht schon aus andere Ländern kennen würde, aber dort geht es neben der einspurigen Piste wenigstens selten 2000 Meter in den Abgrund :) Morgen starten wir für eine knappe Woche einen Trek hier in der Annapurna-Region (*hust* ist das jetzt eine grandiose oder völlig bescheuerte Idee?). 

Sonntag, 17. Februar 2008

Pokhara

Wir sind dem Trubel von Kathmandu wieder entflohen und in Pokhara gelandet (ja wortwörtlich, die Busreise heben wir uns für ein anderes Mal auf). Hier stehen eine Menge hoher Berge herum, die wir eigentlich sehen sollten und nicht sehen können, weil überall feiner Nebel liegt. Es ist beschaulicher, fast chillig, die Touristen kommen erst im März und in dem Friseurgeschäft gleich neben dem Internetcafe steht eine Kuh und sieht dem Barbier über die Schulter. Kühe, die ich im übrigen immer noch nicht so richtig von Yaks und Naks und all den Kreuzungen unterscheiden kann, gibt es viele - fast laufend wird man von einer überholt, blockiert oder angestarrt (ich schwöre, diese Augen sagen manchmal "na komm, trau dich!") und auf die Tötung einer Kuh stehen enorme Gefängnisstrafen. Manche Bergvölker Nepals, für die der Verzehr von Rindfleisch dennoch Brauch oder Notwendigkeit ist, sind höchst erfinderisch eine Kuh ins Jenseits zu befördern, ohne sie zu töten (ups, ist die Gute doch glatt am steilen Hang ausgerutscht und hat sich versehentlich das Genick gebrochen).

Benzin ist im ganzen Land knapp, und was ich für Motorradversammlungen gehalten hatte, war der Stau an der Tankstelle. Es gibt einige Unruhen, die uns nicht betreffen, also keine Sorge, falls irgendetwas in die österreichischen Nachrichten dringt. Für die nächsten drei Tage sind wir mit Raft und Kajak am Kali Gandaki, dem heiligen Fluss, der im Oberlauf zwischen Annapurna und Dhaulagiri die tiefste Schlucht der Erde bildet. Meine Stufensteigerwaden werden sich hoffentlich freundlichst bei mir bedanken, wenn ich auch mal meinen Armen Muskelkater gönne.

Freitag, 15. Februar 2008

Kurzer Zwischenstopp

Namaste ihr Lieben,

wir kommen eben zurück. Aus dem Paradies und aus irgendeiner Vorstufe der Hölle. Das Paradies war ein Farmhaus mit Blick auf alle 6-8tausender, die die Gegend so hergibt. Freundliche Menschen (ich kann mich nicht satt sehen an diesen Gesichtern) und Frida, die Maus, die über meinem Kopf des Nächtens ihr Nest gebaut hat. Die doch sehr persönliche Bußreise war der 50-km-Trek, den wir in den letzten 2 Tagen hinter uns gebracht haben. Meine Gefühlslage schwankte zwischen dieser satten Zufriedenheit, die man hat, wenn alles neu und aufregend und exotisch ist, und abgrundtiefer Entnervtheit und Erschöpfung. Mein halbwegs verheilter Knöchel ist nicht annähernd so verheilt, wie ich das gerne hätte (man sollte auf den Physiotherapeuten seines Vertrauens hören und vorher mehr trainieren), vermutlich bin ich zehntausend Stufen rauf- und runtergestiegen und ich stinke wie ein Nachbars hundert Jahre alter Hund. "24 hours hot water" bedeutet hier, dass das Wasser zwar ununterbrochen, aber als kaltes Rinnsal, aus dem verrosteten Hahn tröpfelt. Aber jetzt ist alles überstanden, ich bin wahnsinnig stolz und vermutlich muss ich morgen auf den Knien weiter rutschen.

Wir sind fuer einen kurzen Zwischenstopp wieder in Kathmandu gelandet, bevor es morgen weiter nach Pokhara geht. Straßenkreuzungen in dieser Stadt sind übrigens ein eigenes Biotop. Alle fahren wild auf den Verkehrspolizisten in der Mitte zu, bis der so eingekeilt ist, dass er sich nicht mehr bewegen kann. Er schlägt dann freundlich mit der Faust eine Delle in die Motorhaube des ihm am nächsten befindlichen Fahrzeuges, was dazu führt, dass er wüst vom Fahrer beschimpft wird. Herr Polizist schiebt das Auto dann eigenhändig einen freien Meter zurück (auf eines der vielen Motorräder drauf). Großartiges Schauspiel - im Stau stehen bekommt eine völlig neue Dimension.

 


Sonntag, 10. Februar 2008

Kathmandu


Nach zwei Tagen Anreise über München und Doha sind wir endlich in Kathmandu gelandet. Offensichtlich haben wir das große Los gezogen und ein steinernes, sehr traditionelles Guesthouse am Rande der Altstadt ergattert - nach der ersten Runde im Zentrum tanke ich erstmals wieder so etwas ähnliches wie Sauerstoff hier drin. Die Luft steht, der Smog kriecht in die letzte Körperwindung (vielleicht gewöhne ich mir hier ja endgültig das Rauchen ab) und ich bin umso mehr gierig nach Bergen und kleinen Dörfern. Wir haben Kühe gesehen, Hunde, viele Hunde, tote Schweine und rot gekleidete Mädchen, die mit einer Frucht verheiratet werden. Sehr farbenfroh alles, Menschen, Hauseingänge - und der Strom fällt im Stundentakt aus. Ein Market, in dem Dieselaggregate für Notstrom laufen, alles riecht als stünde man direkt vor einem Zapfhahn. Seitengassen, überall diese alten Mauern, Stupas, kühle Innenhöfe (kann mir das mal jemand nachbauen?), bestimmt 18 Grad am Tag, nachdem die Temperaturen in den letzten Tagen knapp über Null lagen. Ich bin abenteuerlustig, fühle mich wohl, endlich wieder unterwegs! Ro sitzt am Dach in der Sonne, wir haben Kuchen gegessen um kein Geld und man kann hier duschen (okay, das Wasser ist kalt, aber immerhin).

Es ist 4 3/4 Stunden später als zuhause, was offensichtlich nur daran liegt, dass Nepal sich von Indien abgrenzen möchte (fragt google, vielleicht findet ihr eine bessere Erklärung). Wir verlassen morgen die Stadt und fahren ins Umland, irgendwo hin, wo ich einen Blick auf den Everest erhaschen kann.